Form- und Lagetoleranzen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Form- und Lagetoleranzen
- 1.1 Form- und Lagetoleranzen
- 1.2 Warum sind Form- und Lagetoleranzen notwendig?
- 1.3 Die Bedeutung von Form- und Lagetoleranzen
- 1.4 Der Zusammenhang zwischen Maß-, Form- und Lagetoleranzen
- 1.5 Allgemeintoleranzen für die vereinfachte Angabe von Form- und Lagetoleranzen
- 1.6 Wie werden Form- und Lagetoleranzen angegeben?
- 1.7 Welche Form- und Lagetoleranzen gibt es?
- 1.8 Form- und Lagetoleranzen an Passflächen
- 1.9 Unsere Leistungen
Daniel Wilhelm
Ihr 3D-Messtechnik Spezialist für taktile Messtechnik.
Form- und Lagetoleranzen
Form- und Lagetoleranzen beschreiben Abweichungen von der idealen Werkstückgeometrie, die sich nicht durch eine Messung an einem einzelnen Werkstückposition ermitteln lassen, wie das im Allgemeinen bei Maßtoleranzen der Fall ist.
Eine Formtoleranz ist zum Beispiel eine Angabe der maximal zulässigen Abweichung eines Wellenquerschnitts von der Kreisform, eine Lagetoleranz der Höchstwert, um den die Achse einer Bohrung von der vorgegebenen Ideallage abweichen darf.
Warum sind Form- und Lagetoleranzen notwendig?
Form- und Lagetoleranzen werden zunächst aufgrund unvermeidbarer Abweichungen von der idealen Werkstückgeometrie erforderlich, die bei der Fertigung entstehen.
Ursachen für solche Form- und Lageabweichungen sind zum Beispiel:
- Elastische Deformationen durch die Einspannung des Werkstücks bei der Zerspanung
- Nachgiebigkeit der Werkzeughalterung
- Eine durch die Werkstückgeometrie bedingt wechselnde Zerspankraft
- Maschinenschwingungen
- Eigenspannungen im Werkstück
Ein weiterer Grund für die Spezifikation von Form- und Lagetoleranzen ist, dass Messungen die Werkstückgeometrie nicht exakt wiedergeben können. Zusätzlich zu den Fertigungstoleranzen sind also auch noch Messtoleranzen zu berücksichtigen.
Die Bedeutung von Form- und Lagetoleranzen
Fertigungsbedingte Abweichungen von der Sollform und -lage können die Funktion und die Austauschbarkeit von Werkstücken und Baugruppen beeinträchtigen, selbst wenn die Abmaße innerhalb der Grenzen liegen, die durch die Maßtoleranzen vorgegeben sind.
Umgekehrt ist es aber ebenfalls möglich, dass Form- und Lageabweichungen die Funktion eines Werkstücks gar nicht beeinträchtigen, obwohl sie außerhalb der Maßtoleranz liegen.
Die explizite Angabe geeigneter Form- und Lagetoleranzen kann in solchen Fällen den Ausschussanteil verringern und somit Fertigungskosten reduzieren.
Das hat Mitte der 1980er-Jahre zu einer grundlegenden Überarbeitung der für Form- und Lagetoleranzen relevanten Normen und einer Änderung des sogenannten Tolerierungsgrundsatzes geführt.
Der Zusammenhang zwischen Maß-, Form- und Lagetoleranzen
Nach dem 1985 mit der DIN ISO 8015 eingeführten, neuen Tolerierungsgrundsatz, gelten Form- und Lagetoleranzen unabhängig voneinander und auch von den Maßtoleranzen.
Das steht im Gegensatz zum alten Tolerierungsgrundsatz, den DIN 7182 von 1971 und DIN 7167 von 1987 beschreiben. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Prinzipien ist, dass in der neuen Regelung nach DIN
EN ISO 8015 nur noch Form- und Lagetoleranzen gelten, die explizit dokumentiert sind. In technischen Zeichnungen älteren Ursprungs, deren Toleranzangaben sich auf DIN 7182 oder 7167 beziehen, sind dagegen auch noch implizite Forderungen an Form- und Lagetoleranzen zu beachten.
Abweichungen der Form oder Lage müssen hier innerhalb der Maßtoleranzen liegen, sofern sie nicht ausdrücklich anders spezifiziert sind.
Damit dieser wichtige Unterschied eindeutig erkennbar ist, muss auf eine Verwendung des neuen Tolerierungsgrundsatzes im Schriftfeld hingewiesen werden, beispielsweise durch die Angabe „Tolerierung ISO 8015“.
Bei Zeichnungen, die nach dem alten Tolerierungsgrundsatz erstellt sind, ist kein solcher Hinweis notwendig, da sonst mit der Einführung der ISO 8015 alle alten Dokumente hätten geändert werden müssen.
Zur Vermeidung von Missverständnissen, speziell im internationalen Datenaustausch, kann ein Hinweis auf Tolerierung nach DIN 7167 aber ebenfalls eingetragen werden.
Diese Norm fasst im Wesentlichen den Inhalt der DIN 7182 im Zusammenhang mit der
Einführung der ISO 8015 neu und ist nicht für Neukonstruktionen gedacht.
Allgemeintoleranzen für die vereinfachte Angabe von Form- und Lagetoleranzen
Die Forderung der ISO 8015, dass alle Form- und Lagetoleranzen in der Zeichnung angegeben sein müssen, würde ohne weitere Festlegungen schnell zu einer Überladung technischer Zeichnungen mit Toleranzangaben führen.
Aus diesem Grund legt zum Beispiel die Norm DIN ISO 2768 T1 Allgemeintoleranzen mit Werten in vier Toleranzklassen fest: fein, mittel, grob und sehr grob.
Sie können durch die Kurzzeichen f, m, c und v angegeben werden. Somit braucht eine Zeichnung oder ein anderes Dokument bei Längen- und Winkelmaßen nur noch auf die Verwendung der Norm und der gewählten Toleranzklasse sowie auf davon abweichende Form- und Lagetoleranzen hinweisen.
Wie werden Form- und Lagetoleranzen angegeben?
Die Grundlagen für die Bemaßung von Form- und Lagetoleranzen in technischen Zeichnungen sind in den Normen DIN ISO 1101 und 5459 spezifiziert.
Erstere definiert Begriffe, Symbole und verschiedene Arten des Eintragens von Form- und Lagetoleranzen an Werkstücken oder Baugruppen. Die zweite Norm befasst sich mit Bezügen und Bezugssystemen bei Form- und Lagetoleranzen.
Als Bezug bezeichnet die Norm ein ideales, geometrisches Element an einem Werkstück, auf das sich die Form- und Lagetoleranzen beziehen. Die Position des Bezugs an einem Werkstück legt ein einzelnes oder eine Gruppe von Bezugselementen fest.
Das sind real existierende Elemente des Werkstücks, wie bearbeitete Kanten, Flächen oder Bohrungen. Die Anzahl der Bezugselemente, die einen Bezug bilden, sollte möglichst klein gehalten werden. Vorzugsweise sollte ein einzelnes oder höchstens zwei Bezugselemente genutzt werden.
Die Verwendung als Bezugselement kann zusätzliche Anforderungen an die Formtoleranz eines Werkstückelements stellen, also die Angabe spezieller Form- und Lagetoleranzen erfordern.
Die nur als gedachtes Element existierenden Bezüge können für die Messung von Form- und Lagetoleranzen durch Hilfsbezugselemente verkörpert werden.
Das sind reale, mit ausreichend geringen Form- und Lagetoleranzen gefertigte Objekte, die das Bezugselement in einem Punkt, einer Linie oder einer Fläche berühren. Solche Hilfsbezugselemente sind zum Beispiel Prüfdorne, Auflager oder Messplatten.
In Zeichnungen werden die idealen, also theoretisch exakten Maße der Bezüge nach ISO 1101 mit einem rechteckigen Rahmen um die Maßzahl eingetragen.
Welche Form- und Lagetoleranzen gibt es?
Form- und Lagetoleranzen unterscheiden sich hinsichtlich der tolerierten Eigenschaft. Bei
Formtoleranzen sind das:
- Geradheit
- Ebenheit
- Rundheit
- Zylindrizität
- Linienform
- Flächenform
Die Lagetoleranzen unterteilt ISO 1101 in die Gruppen Richtungstoleranzen mit den Eigenschaften:
– Parallelität
– Rechtwinkligkeit
– Neigung
Ortstoleranzen mit den Eigenschaften:
– Position
– Symmetrie
– Koaxialität/Konzentrizität
und Lauftoleranzen mit den Eigenschaften:
– Rundlauf
– Planlauf
– Gesamtrundlauf
– Gesamtplanlauf
Form- und Lagetoleranzen an Passflächen
Bei Passungen mit zylindrischen oder parallelen Flächen kann es erforderlich sein, zusätzlich zu den Maß-, Form- und Lagetoleranzen auch noch die Einhaltung der Hüllbedingung zu fordern, die der alte Tolerierungsgrundsatz implizit vorschreibt.
Das ist nach dem Taylorschen Grundsatz (DIN 7150 T2) durch Gutlehrung mit Vollformlehren möglich. In technischen Zeichnungen wird diese Forderung durch ein großes E in einem Kreis hinter der Maß- und Toleranzangabe wiedergegeben.